EU-Asylpolitik: Wird Deutschland bereit sein, hart durchzugreifen?

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Jan 14, 2024

EU-Asylpolitik: Wird Deutschland bereit sein, hart durchzugreifen?

Die EU-Innenminister werden über Pläne für strengere Asylregeln debattieren. Wille

Die EU-Innenminister werden über Pläne für strengere Asylregeln debattieren. Macht Deutschland einen Strich durch die Rechnung?

Am Donnerstag (8. Juni) beraten die EU-Innenminister über die Pläne der EU-Kommission für strengere Asylregeln. Sie sehen vor, die Prüfung von Asylanträgen an den EU-Außengrenzen zu ermöglichen.

Da die Zahl der Flüchtlinge, die in die EU einreisen wollten, in den Jahren 2015 und 2016 dramatisch anstieg, herrscht anhaltender Streit darüber, ob sie auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Dies ist einer der Vorschläge der EU-Kommission.

„Wir wollen die europäische Reform des Asylsystems unterstützen und vorantreiben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag (6. Juni) in Berlin.

Deutschland muss mitmachen, damit die Reformvorschläge der Kommission angenommen werden. Doch innerhalb der von Scholz geführten Mitte-Links-Koalition aus SPD, Grünen und neoliberalen Freien Demokraten (FDP) sind sie höchst umstritten – und auch aus der Opposition gibt es heftige Kritik.

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Vielen Grünen-Politikern fällt es schwer, zu akzeptieren, dass Flüchtlinge wochenlang in Einrichtungen an den EU-Außengrenzen festgehalten werden, während sie auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten. In ihrem Wahlprogramm vor der Wahl 2021, die sie an die Macht brachte, hatten die Grünen solche Maßnahmen klar abgelehnt.

Doch nun, da sie an der Regierung sind, will die Grünen-Spitze den Vorschlägen zustimmen. Dies sei die einzig realistische Chance, in absehbarer Zeit ein geordnetes und menschenwürdiges Verteilungsverfahren in der EU zu erreichen, sagt Außenministerin Annalena Baerbock.

Allerdings sagte Baerbock in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es würden harte Verhandlungen geführt, „um sicherzustellen, dass Familien mit Kindern nicht in ein solches Grenzverfahren geraten und das Grundrecht auf Asyl nicht ausgehöhlt wird.“

Für viele Parteianhänger kommt dies jedoch einem Verrat an der traditionell flüchtlingsfreundlichen Politik der Grünen gleich. In einem offenen Brief beklagten rund 730 Parteimitglieder den Kurs der „Abschreckung und Abschottung der Grenzen“.

Selbst innerhalb der Kanzlerpartei SPD gibt es Kritik an der geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems – wenn auch weniger lautstark als bei den Grünen.

22 von 206 Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie die Reform klar ablehnen. Darin heißt es: „Wir stehen der flächendeckenden Einführung von Grenzverfahren kritisch gegenüber, da sie inhaftierungsähnliche Zustände fördern.“

SPD-Innenministerin Nancy Faeser hingegen spricht seit Wochen von einem „historischen Impuls“ für die EU-Flüchtlingspolitik, den es zu nutzen gelte.

„Wir vertreten in der Bundesregierung eine einheitliche Position“, sagte Faeser dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Als Deutschlands Chefunterhändlerin für das Treffen in dieser Woche sagte Faeser, sie werde sich dafür einsetzen, dass Kinder und Minderjährige „direkt mit ihren Familien in die EU einreisen können und keine Grenzverfahren durchlaufen müssen“.

Die SPD hatte in ihrem Wahlprogramm eine humanitäre und solidarische Asyl- und Flüchtlingspolitik in der EU gefordert. Ziel sei ein solidarischer Verteilungsmechanismus mit Asylrecht, hieß es.

Auch die FDP fordert laut ihrem Wahlprogramm einen verbindlichen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten, „es sei denn, sie haben keine erkennbare Bleibeperspektive“.

Sollte es in absehbarer Zeit nicht zu einer solchen EU-weiten Einigung kommen, sollte Deutschland aus Sicht der FDP „gemeinsam mit gleichgesinnten Staaten eine Vorreiterrolle spielen“.

Die FDP will nun, dass Deutschland die Vorschläge der EU-Kommission unterstützt und sie nicht durch Ausnahmeforderungen gefährdet.

„Es braucht einheitliche Regeln, und diese können auch für unter 18-Jährige gelten“, sagte Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Die Mitte-Rechts-Christlich-Demokratische Union (CDU), Deutschlands größte Oppositionspartei und ein Block mit der regionalen Christlich-Sozialen Union (CSU), unterstützt grundsätzlich die Pläne zur Reform des EU-Asylrechts.

CDU-Chef Friedrich Merz fordert seit Jahren eine Verschärfung des deutschen Asylrechts sowie „Aufnahme- und Entscheidungszentren“ nahe den EU-Außengrenzen. Ausnahmen für Minderjährige, wie sie von SPD und Grünen gefordert werden, befürwortet die CDU/CSU nicht.

Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) ist die einzige im Deutschen Bundestag vertretene Partei, die sich nicht für das Recht auf Asyl einsetzt. Sie will das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen, weitgehend abschaffen.

Die AfD lehnt eine gemeinsame europäische Asylpolitik grundsätzlich ab. „Eine existenzielle Frage wie die Einwanderung muss in demokratischer Selbstbestimmung auf Bundesebene entschieden werden“, heißt es auf der AfD-Plattform.

Die AfD war in der Vergangenheit mit ihrer flüchtlingsfeindlichen Rhetorik erfolgreich und liegt in den bundesweiten Umfragen derzeit bei 18 Prozent. Damit liegt sie gemeinsam mit der SPD auf dem zweiten Platz hinter der CDU/CSU.

Die postkommunistische Linkspartei plädiert für eine Liberalisierung der deutschen Asylpolitik. In einem Antrag forderte die Bundestagsfraktion, Asylbewerbern in Deutschland die Möglichkeit aufzuheben, während der Zeit bis zur Bearbeitung ihres Antrags arbeiten zu dürfen, regelmäßige Sozialleistungen zu erhalten und eine uneingeschränkte Gesundheitsversorgung zu erhalten

Linksfraktionschef Martin Schirdewan sagte dem RND, dass es sich bei den aktuellen Vorschlägen zum EU-Grenzverfahren lediglich um einen Abschreckungsplan handele, bei dem es darum gehe, Flüchtlinge an den Grenzen leichter zurückdrängen zu können.

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Es gab zahlreiche Versuche, das EU-Asylrecht zu reformieren, doch alle scheiterten.

Wenn an diesem Donnerstag 15 von 27 EU-Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren, für die Reformvorschläge stimmen, können die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen.

Dann dürfte der Streit auch in Deutschland weitergehen – sogar innerhalb der Regierungskoalition. Doch die Stimmung in der deutschen Bevölkerung scheint eindeutig: Die aktuelle ARD-DeutschlandTrend-Umfrage unter Wahlberechtigten ergab, dass sich vier von fünf für härtere Asylverfahren an den EU-Außengrenzen aussprachen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.

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